Where have all the flowers gone?

(Gewidmet der Pfadfindergruppe a.D. Innsbruck/Turm und allen engagierten Menschen)

Die Tiroler PfadfinderInnen haben in den letzten 2 Jahren viele schmerzliche Verluste hinnehmen müssen: Quasi eine ganze Landesleitung quittierte 2000 ihren Dienst. 2001 ging ein langjähriger Präsident in „Pfadi-Pension“ und am 25.01.2002 verließ der Turm die Bühne. Für die ersten zwei Institutionen gibt es NachfolgerInnen. Für den Turm leider nicht. Bei der Betrachtung aller Ereignisse ist eine „Zeitenwende“ zu bemerken. Eine „Post-68er-Generation“ scheint am Abstieg zu sein. Aus Anlass dieses letzten Campanile möchte ich der Frage nach gehen, wohin die vielen schönen Blumen der Pfadfinderarbeit gegangen sind.

Wer sind diese Blumen derPfadfinderarbeit?

Der Turm war eine Gruppe, die sich der „progressiven Pfadfinderei“ (ehem. Turmhomepage) verschrieb und „Individuen statt uniforme Mitschwimmer“ (ebd.) begleitete. Neue pädagogische Konzepte, stammen von TurmleiterInnen, von denen einige ihre Verbreitung durch ganz Österreich schafften bzw. immer noch schaffen. Meine Freunde, die beim Turm leiteten, habe ich als sehr interessante Diskussionspartner erlebt. Nicht nur „Action“ waren ihnen wichtig, sondern auch genaue Planung, sowie feinfühlig ausgewählte Ziele und Methoden. Qualitätsvolle Kinder- und Jugendarbeit, die die einzelne Person wichtig nimmt und sie bei ihrer Entwicklung begleitet, war bis zum Schluss ihr Ziel.

Diese Blumen der Pfadfinderarbeit und darüber hinaus, die gerade so schmerzlich schwieriger zu finden sind, möchte ich als „Post-68er-Generation“ bezeichnen. Diese träumt von einem friedlichen und menschlichen Umgang der Menschen untereinander. Sie träumt von selbständigen Individuen, die sich „frei“ nach ihren persönlichen Fähigkeiten entfalten können und jede/r seinen wertvollen, unverzichtbaren Beitrag für die Gemeinschaft leisten. Nicht mehr Wissen, sondern mehr Denken ist für die Umsetzung dieses Traumes gefragt. Nicht „lineares Denken“ (Wenn ich a mache, passiert b.), sondern ein Denken in Prozessen wurde praktiziert: Wir (Kinder, Jugendliche und LeiterInnen) gehen Schritt für Schritt eine Weg, schauen, was passiert, alle lernen daraus und alle bauen das Gelernte in das nächste Stück des Weges ein und lernen wieder daraus.

Where have all the flowers gone?

Die „Post-68er-Generation“, ist bei den PfadfinderInnen immer schwieriger zufinden -Wo sind sie geblieben?: Sie

  • schließen ihr Studium ab,
  • gehen„normal engagiert“ ihrem Beruf/Studium nach,
  • genießen mehr Freizeit,
  • haben ihre Wurzeln an einem anderen Ort geschlagen,
  • einige von ihnen haben andere Funktionen bei den PPÖ übernommen,
  • einige Post-68er– nicht übersehen bitte!- sind immer noch als LeiterInnen tätig
  • und vieles mehr.

Darüber hinaus bläst der „Post-68er-Generation“ seit einiger (eigentlich schon seit langer) Zeit eine steife Prise ins Gesicht. Mit ihrer Art behutsam und mit vielen Überlegungen ihre Arbeit zu tun, vertritt sie genau das Gegenteil jener Werte und Handlungsweisen die gerade im Trend liegt: Geschwindigkeit, Action, Wirtschaftlichkeit und vieles mehr. Mit einem politischen Vertreter dieser Geisteshaltung am besten ausgedrückt: „Speed wins“ (© Dr. Andreas Kohl, ÖVP) Die „Post-68er-Generation“ stellt ein „Extrem“ in einem weiten Spannungsfeld möglicher Werthaltungen dar. Das ist gut, richtig und wichtig so!

Die Entwicklung der PfadfinderInnen, aber auch der Gesellschaft geschieht in Wellenbewegungen zwischen den Polen „sozialer Umgang“ und „Wirtschaft“. Besonders bei den Tiroler PfadfinderInnen schlägt das Pendel derzeit in Richtung „Wirtschaftlichkeit“ aus: „Transparenz“ (was immer das auch ist!) und Action („tun wir was und denken/reden wir nicht zu viel“) sind gerade die verbreiteten Messages. Nicht ohne Stolz und mit einem Schuss unterschwelliger Häme werden gerade die „besseren Konzepte“ präsentiert und umgesetzt. Diese Wellenbewegungen sind keine kurzfristigen, sondern werden wohl in Jahrzehnten gemessen werden müssen.

Viel wurde von „Post-68ern“ in den letzten Jahrzehnten (bspw. gab es den Turm 20 Jahre!) geleistet und sie haben sich etwas Ruhe und Entspannung verdient. Das Ende des Turms, als (gedankliche) Heimat vieler „Post-68er“, tut sehr weh. Von einem dauerhaften Abstieg (siehe Einleitung) kann jedoch keine Rede sein, denn: Die PfadfinderInnen Tirols und Österreichs, sowie die Gesellschaft können nicht auf Dauer auf ihre feinfühligen und sozial engagierten Menschen verzichten!!!


David Sporschill
CaEx-Leiter a. D., GL-Allerheiligen a. D.
„Letztes Kind“ der „Post-68er-Generation“

Geschrieben: März 2002
"Veröffentlicht" im Internet: 20.8.2005